Eltern können grundsätzlich den Ersatz ihres Verdienstausfallschadens verlangen, wenn ihren Kindern entgegen der gesetzlichen Vorgabe ab Vollendung des ersten Lebensjahres vom zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt wird und sie deshalb keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können.
Das ist das Ergebnis mehrerer Rechtsstreitigkeiten vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Geklagt hatten Eltern, die jeweils nach Ablauf der einjährigen Elternzeit ihre Vollzeit-Berufstätigkeit wieder aufzunehmen wollten. Unter Hinweis darauf meldeten sie für ihre Kinder wenige Monate nach der Geburt bei der beklagten Stadt Bedarf für einen Kinderbetreuungsplatz für die Zeit ab der Vollendung des ersten Lebensjahres an. Zum gewünschten Termin erhielten sie jedoch keinen Betreuungsplatz. Sie verlangen daher von der Stadt den Ersatz des ihnen entstandenen Verdienstausfalls.
Der BGH hat im Einklang mit beiden Vorinstanzen das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung der beklagten Stadt bejaht. Eine Amtspflichtverletzung liegt bereits vor, wenn der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe einem anspruchsberechtigten Kind trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt. Die betreffende Amtspflicht ist nicht durch die vorhandene Kapazität begrenzt. Vielmehr ist der verantwortliche öffentliche Träger der Jugendhilfe gehalten, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte – freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen – bereitzustellen. Insoweit trifft ihn eine unbedingte Gewährleistungspflicht.
Diese Amtspflicht bezweckt auch den Schutz der Interessen der personensorgeberechtigten Eltern. In den Schutzbereich der Amtspflicht fallen dabei auch Verdienstausfallschäden, die Eltern dadurch erleiden, dass ihre Kinder keinen Betreuungsplatz erhalten. Zwar steht der Anspruch auf einen Betreuungsplatz allein dem Kind selbst zu und nicht auch seinen Eltern. Dass die Eltern und ihre Erwerbsinteressen in den Schutzbereich der Amtspflicht einbezogen sind, ergibt sich aber aus der Regelungsabsicht des Gesetzgebers sowie dem Sinn und Zweck. Der Gesetzgeber wollte mit dem Kinderförderungsgesetz nicht nur das Kindeswohl fördern, sondern auch die Eltern entlasten, damit sie eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder weiterführen können.
Demnach kommt ein Schadenersatzanspruch der Eltern in Betracht. Der BGH verwies die Verfahren an die Vorinstanzen zurück. Dort muss noch geklärt werden, inwieweit ein Verschulden der Bediensteten der Stadt vorliegt und in welcher Höhe der Schaden besteht.
Quelle: BGH, Urteile vom 20.10.2016, III ZR 278/15, 302/15 und 303/15.